3D-Druck, Obsoleszenz, Aftermarket und Reifenvisionen

Connected Prototyping, Projekte Additive Fertigung, Projekte Beratung und Entwicklung

Wir beschäftigen uns schon seit einiger Zeit mit Obsoleszenz in Verbindung mit additiver Fertigung, zunächst getrieben aus privatem Interesse und der Unlust, wegen eines kleinen Plastikteils einen neuen Rasenmäher kaufen zu müssen, dann kamen Projekte aus dem sog. Aftermarket und der Ersatzteilbeschaffung langlebiger Wirtschaftsgüter sowie unsere Mitgliedschaft im „Netzwerk der additiven Fertigung in der Mobilitäts- und Logistikbranche Mobility goes Additive“ oder im „Netzwerk 3D-Druck von Ersatzteilen“ dazu.

Das Thema Obsoleszenzmanagement, die Minimierung oder Vermeidung der Folgen der Nicht(mehr)verfügbarkeit von Material, Komponenten, Produkten, Prozessen oder Wissen, gibt es ja schon länger, es gibt auch eine DIN dazu (DIN EN 62402) und seit neuestem eine VDI-Richtlinie (VDI 2882), aber der Handlungsdruck hat sich erhöht und wird sich sogar noch beschleunigt weiter erhöhen. Zu den Gründen dieses Handlungsdrucks und wie und wieviel Additive Fertigung überhaupt zur Lösung des Obsoleszenzmanagements beitragen kann, werde ich auf der Rapidtech einen Vortrag Additive Manufacturing im Aftermarket halten. Ob Additive Fertigung etwas zur Lösung beitragen kann, diese Frage darf man getrost bejahen. Aber wie und wieviel bedarf einer genauen Betrachtung, wie z.B. unserer „10 Punkte zur Wirtschaftlichkeit additiver Fertigung„. Eine solche Betrachtung bieten wir übrigens im Rahmen unseres Additive-Thinking-Audits an.

Ein besonders schönes und extrem innovatives Beispiel zur Lösung von Obsoleszenz stellte der Reifenhersteller Michelin letzte Woche mit 3D-gedruckten luftlosen und nahezu unverwüstlichen Reifen vor – und hat gleichzeitig doch wieder Obsoleszenz eingebaut, aber eben als Service und zum Vorteil des Kunden. Faszinierend ist die ganzheitliche Betrachtung und Lösung eines Problems, nicht zuletzt des Problems, wie man denn bei nahezu unverwüstlichen Reifen als Hersteller noch Geld verdienen könnte. Ganz nebenbei vereinnahmt Michelin noch das Geschäft der Felgenhersteller. Ein wunderbares Beispiel für Funktionsintegration, Komplexität gibt es ja bei 3D-Druck gratis!

Michelin hat den Reifen mitsamt Felge additiv und bionisch neu gedacht und in einer den Alveolen, den Lungenbläschen, ähnlichen Struktur aus biologisch abbaubaren und recycelten Rohstoffen gebaut. Diese Lungenbläschenstruktur sorgt für Halt und Federung zugleich, umhüllte Luft mit dem möglichen Luftverlust durch Undichtigkeiten ist nicht mehr da. Die Kraftübertragung auf die Strasse erfolgt durch ein ebenfalls 3D-gedrucktes Reifenprofil. An automatischen „Reifenwechselstationen“ wird bei Bedarf ein neues Profil aufgedruckt, entweder weil das alte verschlissen war (wird natürlich frühzeitig per Sensor gemeldet, auch eine Form der Obsoleszenz und dessen Managements) oder weil man jetzt mal eben in die Berge fahren will und ein Winterprofil benötigt. Der Reifenwechsel ist also kein „Wechsel“ mehr, Michelin nennt es „Aufladen“, und ist dann zukünftig wirklich nur noch ein Boxenstopp und kein lästiges Bitten und Flehen um einen kurzfristigen Termin zum Reifenwechsel rund um Ostern und im Oktober.

Stephan Kegelmann

Und hier ein Video von Michelin:

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